Wenn in der Schule Stunden ausfallen, sind insbesondere die Schüler darüber nicht immer verärgert. Eine Stunde früher nach Hause zu gehen oder eine Stunde später zur Schule zu kommen, kann individuell auch als Steigerung der Lebensqualität empfunden werden. Wenn der Unterrichtsausfall jedoch so große Ausmaße annimmt, dass die Gefahr besteht dadurch beispielsweise Prüfungen nicht oder nur schlecht bestehen zu können, so besorgt dies auch Schülerinnen und Schüler. Diesem Thema hat sich die Initiative Bildet Berlin angenommen, die nun in einem Volksentscheid probieren möchte, dass der Unterrichtsausfall stark zurückgefahren wird. Wie Statistiken über ausgefallenen Unterricht geschönt werden, welche Probleme ausgefallener Unterricht mit sich bringt und welche Gegenvorschläge existieren erläutern Florian Bublys und Holger Huth von Bildet Berlin.
Beteiligt an dieser Episode:
Ich bin Lehrerin der Sekundarstufe I einer Berliner Schule und finde die Ausführungen der Initiatoren von Bildet Berlin sehr interessant.
Dass Statistiken beschönigt werden, die nicht wissenschaftlichen Zwecken sondern der Beschreibung gesellschaftlicher Zustände dienen, davon gehe ich aus. Das gehört zum Machterhalt, egal unter welchem Vorzeichen.
Die Beispiele, die die beiden Herren anführen, sind aus dem Leben gegriffen und für jeden gut verständlich. Find ich klasse. Unsere Schule lebt schon im Paradies, da wir eine 110-prozentige Ausstattung der Schule mit Lehrkräften haben, aber in diese Rechnung gehen auch die längerfristig Kranken ein. Zwei Kollegen sind seit Schuljahresbeginn nicht in der Schule und müssen vertreten werden. Andererseits wird auf Dienstberatungen immer betont, dass aufgrund dieser Tatsache gaaanz schnell jemand in eine andere Schule versetzt werden kann.
Die Rolle der GEW überrascht mich nicht. Da geht es Leuten in Position um Machterhalt und Machtanspruch. Ich kann mir sonst eine Reihe von sinnlosen Aktionen bzw. Inaktivitäten nicht erklären.
Die Ursachen, dass so viel Unterricht ausfällt, sind sehr vielschichtig und verlangen eigentlich ein neues Konstrukt Schule. Alles Andere ist Flickschusterei. Aber, wer soll das in Gang treten und wer teilt das Geld sinnvoller auf? Außerdem dauert es Jahre.
Was der Verein will, wird aber trotzdem den Bildungszuwachs förderlich sein. Aus eigenem Erleben in meiner Schule fällt mir nur auf, dass der Stellenwert einer Deutsch-, Mathe-, Englischstunde gegenüber „Projekten“ zu niedrig angesiedelt ist. Suchtprävention, Gewaltprävention, Schule gegen Rassismus, Iss dich gesund, Berufsorientierungswoche, Potientalanalyse beim Internationalen Bund, Betriebspraktikum – all das wird bei uns veranstaltet und man kann sich vorstellen, wie der normale Unterricht stets und ständig durcheinander gerät. Da fehlt die Verhältnismäßigkeit und es zeugt von einer Überfrachtung der Schule mit Aufgaben, für die sich sonst nicht so viele verantwortlich fühlen. Die meisten Eltern befürworten das und fordern es sogar ein, weil ihnen dadurch Erleichterung verschafft wird und es macht in abgespeckter Form auch Sinn. Es wird aber insgesamt der Erziehung der Schüler in der Schule viel mehr Raum gegeben ohne dass echtes Wissen vermittelt wird. Das Schuljahr ist noch nicht lang, aber es hat bisher bei uns noch nicht eine einzige Woche stattgefunden, in der Unterricht nach Plan ablief. Und die Pläne sind schon dürftig – eine Stunde Geschichte in der Woche. Man kann sich vorstellen, wie viele Geschichtsstunden durch Aktionen wegfallen. Das ist eine schwierige Gratwanderung zwischen Profilierung einer Schule und Wissensvermittlung.
Die Schüler können sich natürlich das gesamte Wissen der Menschheit aus dem Internet anlesen, aber wenn da eine Lehrerin oder ein Lehrer ist, der ihnen Hilfestellung und Denkanstöße gibt und vielleicht bestimmte Werte nahelegt und selbst auch einhält, hat das schon Einfluss auf die Menschenkinder in der Schule. Viele Kinder suchen den Halt und brauchen ihn. Dazu gehört geregelter Unterricht und Regelmäßigkeit. Insofern unterstütze ich natürlich auch das Vorhaben.
Vielen Dank für diese Ausführungen. Ich unterstütze die Initiative. Es ist wirklich wichtig Unterricht zu gewähren, als diesen ausfallen zu lassen. Viel Erfolg. Leben und Schule bilden. Denken wir an Zukunft, denken wir an Bildung.